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Waiblingen - Ort der Könige und Kaiser

Im Laufe der durchaus farbigen und spannenden historischen Entwicklung Waiblingens gibt es einen Zeitabschnitt, der durch seine herrschaftliche Prägung in herausgehobener Weise mit der allgemeinen europäischen Geschichte verflochten erscheint. Es ist jener Zeitabschnitt vom 8. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, als Waiblingen Aufenthaltsort von Kaisern und Königen war, und man die Königsgeschlechter der Salier und Staufer als die "Heinriche von Waiblingen" bezeichnete, ja Waiblingen schließlich zum Namen der Anhänger der Staufer wurde, der in Italien als Ghibellinen noch für geraume Zeit weiterlebte.
* Sönke Lorenz

Kurzer Gang durch die Geschichte Waiblingens

Die Lage der späteren Ortschaft Waiblingen war für eine Ansiedlung außerordentlich günstig: Ganz in der Nähe der überaus fruchtbaren Lössflächen des Schmidener Felds auf einer Anhöhe über dem Fluss Rems, am Wasser, aber doch vor Hochwasser geschützt. Dazu sehr zentral in der „Waiblinger Bucht“ mit der Möglichkeit, von dort aus den Zugang zum Remstal (sowohl südlich entlang des Schurwalds als auch nördlich um den Korber Kopf herum) zu kontrollieren.
Daher ist es kein Wunder, dass schon seit der Jungsteinzeit viele Spuren menschlicher Besiedelung gefunden wurden. Während der Römerzeit bestand gut 100 Jahre (ca.150 bis 260 nach Chr.)in der Nähe des Freibads eine Töpferei. Diese war eine der größten im römischen Reich nördlich der Alpen, in der Geschirr zum Gebrauch der Soldaten am Limes (nördlich und östlich von Lorch im Remstal) gebrannt wurde.

Waiblingen im Mittelalter

Am Ende der Völkerwanderung ab dem 5.Jahrhundert nach Chr. siedelten sich Leute vom germanischen Volksstamm der Alamannen in dieser Gegend an. Von ihnen wurden über 200 Grablegen (u.a. um die Grabenstraße) westlich des Hochwachtturms gefunden. Auch der Name „Waiblingen“ deutet (wie bei vielen –ingen-Orten) auf alamannische Siedler hin: Mit ihnen beginnt die seitdem nicht mehr unterbrochene Besiedlung des Platzes, auch wenn man noch lange nicht von einer „Stadt“ reden kann. Später, 496 n. Chr., wurden die Alamannen von den Franken besiegt und wurden damit Teil des fränkischen Reiches. Mit den Franken kam das Christentum: An der Stelle der heutigen Michaelskirche wurde spätestens um 750 die erste christliche Kirche gebaut, die für die Bevölkerung im ganzen unteren Remstal,( von den späteren Orten Strümpfelbach bis Hegnach und Hohenacker) zuständig war.

Waiblingen scheint damals eine Art Verwaltungsmittelpunkt der Karolinger geworden zu sein: Der Urenkel Karls des Großen, Kaiser Karl III., hielt hier 885 einen Hoftag ab und war noch mehrfach hier, wie auch andere deutsche Karolinger. Gut 140 Jahre später ist Waiblingen im Besitz der Salierkaiser, der „Heinriche von Waiblingen“, wie sie genannt wurden. Der bekannteste von ihnen, Heinrich IV. („Gang nach Canossa“), verheiratet 1079 seine Tochter Agnes mit dem Herzog von Schwaben, Friedrich I., dem Erbauer der Burg Hohenstaufen. So wird das untere Remstal staufischer Besitz. Und die Staufer übernehmen nun den Namen von den Saliern: Sie nennen sich stolz „Waiblinger“, ein Name, der v.a. in der italienischen Form „Ghibellinen“ bekannt geworden ist. Der Name „Staufer“ wird erst später gebräuchlich.

Somit ist klar: Der Platz Waiblingen ist mit der deutschen Kaisergeschichte des frühen und hohen Mittelalters sehr eng verbunden. Waiblingen nennt sich heute zu Recht eine Stauferstadt.Aus der Stauferzeit selbst stammt wohl nur noch der untere Teil des Hochwachtturms; ansonsten haben die Wechselfälle der Geschichte, wie an anderen historisch bedeutenden Orten auch, nichts übriggelassen. Nach dem Untergang der Staufer um 1250 gerät die bisher offene Siedlung Waiblingen nach und nach in die Hände der Grafen von Württemberg. Am Ende des 13.Jahrh. besitzt sie eine
Stadtmauer, einen Schultheiß und weitere typisch städtische Berufe. Die Württemberger verleihen der jungen Stadt als damals einziger ihr eigenes Wappen, die drei Hirschstangen,als Stadtsiegel. Erst jetzt kann man von einer „Stadt Waiblingen“ sprechen. Anfang des 14. Jahrhunderts entscheidet sich Graf Eberhard I. jedoch für Stuttgart als seine Residenz. Waiblingen wird eine württembergische Landstadt wie andere auch, und die Stadt teilt damit auch die Geschicke der Grafschaft wie andere auch. So misslingt Anfang des 14.Jahrhunderts ein Versuch, sich im sog. „Reichskrieg“ von der Herrschaft der Grafen unabhängig zu machen, indem man sich der Reichsstadt Esslingen anschließt. Andererseits profitiert die Stadt von der meist ruhigen Entwicklung im 15.Jahrhundert. Es wird viel gebaut: Waiblingen bekommt einen äußeren Mauerring (Zwingermauer), den modernen Erfordernissen der Stadtverteidigung entsprechend, mit drei besonders befestigten Tortürmen. Die Michaelskirche wird im spätgotischen Stil zur heutigen Form stark vergrößert, die Kapelle Nonnenkirchle kommt dazu, ebenso die Siechenkapelle weit im Osten der Stadt. Ein erstes Rathaus und das Grafenschloss werden neu errichtet. Das Schloss ist mehrfach Wohnort von nicht regierenden Mitgliedern der gräflichen Familie, besonders der Brüder Ludwig I. und Ulrich V.

Waiblingen in der Neuzeit

Der Bauernkrieg 1525 und die Einführung der Reformation durch Herzog Ulrich 1534 führen auch in Waiblingen zu manchen Unruhen, (wie in vielen württembergischen Städten). Die Katastrophe aber kommt 100 Jahre später im Dreissigjährigen Krieg: Nach dem Sieg der Kaiserlichen bei Nördlingen 1634 brennen diese die gesamte Stadt innerhalb der Stadtmauern total nieder. Von ca. 400 Familien vor dem Brand überleben nur etwa 30 Personen. Nur zögernd beginnt ab 1642 der Wiederaufbau; es dauert etwa 150 Jahre, bis die frühere Einwohnerzahl wieder erreicht ist.

Nach den Wirren der Napoleonzeit besinnt man sich im biedermeierlichen 19.Jahrhundert auf die vermeintlich „große Zeit“ der mittelalterlichen Vergangenheit. Der schwäbische Dichterkreis, dem u.a. Kerner, Mörike und Uhland angehörten, sammelt sich in der Wohnung  des Waiblinger Amtsrichters Karl Mayer am Markt. Der Romantiker Achim von Arnim schreibt 1817 den ersten historischen Roman in Deutschland, „Die Kronenwächter“, der im Waiblinger Hochwachtturm beginnt. Bald aber stören die Geräusche der beginnenden industriellen Revolution die Idylle: Ab 1857
blüht die Waiblinger Ziegelindustrie („Stadt des guten Tons“), die Seidenstoffweberei entsteht, ab 1861 fährt die Remstal –Eisenbahn, ab 1876 die Murrtalbahn. Die Wohnbebauung dehnt sich jetzt rasch über die Stadtmauern hinaus in Richtung auf die beiden Bahnstrecken aus.Die weitere Geschichte Waiblingens im 19. und 20. Jahrhundert folgt weitgehend der Geschichte des ab 1871 bestehenden Deutschen Reiches. Weder aus der Katastrophenzeit des ersten und zweiten Weltkriegs noch aus der Weimarer- und der Nazizeit sind Ereignisse zu vermelden, die sich in außergewöhnlicher Weise von der Geschichte anderer Städte abheben würden.

Im 2. Weltkrieg blieb die Stadt bis auf Ausnahmen verschont von Bombenschäden. Die Schwierigkeiten der Nachkriegszeit teilte die Stadt mit denen anderer Städte, auch den erstaunlichen Aufschwung („Wirtschaftswunder“) nach der Währungsreform von 1948. In der Folge hat die industrielle Tätigkeit und hat auch die Einwohnerzahl ganz erheblich zugenommen. Mit der Gemeinde- und Kreisreform 1972-1975 wurde Waiblingen zur „Großen Kreisstadt“ und zum Mittelzentrum des aus den Kreisen Backnang und Waiblingen neu gebildeten Rems-Murr-Kreises.

 

Heimatverein Waiblingen e.V.              gez. Jürgen Mertens  (zweiter Vorsitzender)   15.04.2008